Was macht man nach einer Verkostug von 150 Spitzenweinen der Ersten Lagen von Österreichs Traditionsweingütern? Sich erden.
Und zwar im Weinbaugebiet. Also rein bzw. rauf ins Kamptal, denn das liegt deutlich höher als die Donau und auch höher als der Wolkenturm von Schloss Grafenegg, dem ehrenvollen Ort der drei Tage andauernden Verkostung. Mit dabei waren natürlich auch Weingüter des Kamptals. Um so schöner nun, noch mit frischer Erinnerung der Riedenweine am Gaumen, die dazugehörigen Weinberge zu sehen. Den Käferberg, den Loiserberg, den Seeberg, Steinmassl und Heiligenstein. Kenner des Kamptals wissen jetzt wohin die Reise geht: in die Blackbox des Grünen Veltliners. Zum Weingut Loimer.

Wie unterschiedlich die Bodenstruktur bei jeder Lage von der Natur bedacht wurde, sieht man eindrucksvoll im Verkostungsraum. Hier hängen Erdbohrungen an der Wand. Kunstwerke, von der Natur gezeichnet.

Wenn Einschulung, Ernte und zahlreiche Events aufeinander treffen und man dennoch ganz normalen Familienalltag erlebt, dann versteht man warum die Loimer-Weine so sind, wie sie sind.
Sie ruhen in sich, nehmen sich Zeit, sind lässig, müssen nicht laut sein, müssen nichts beweisen. So wie auch Fred Loimer, seine Familie und das ganze Team inklusive Hund Bruno – sie alle strahlen diese Gelassenheit und Ruhe aus.

Da kommt nicht der international renommierte Winemaker, da kommt der Papa, der einen seiner Söhn gerade aus der Schule abgeholt hat, bzw. vom Bahnhof. Kurz nach Mama Birgit, die eben noch eine Gassirunde gedreht hat. Und bevor es gleich zum Sport geht, gibt’s Mittagessen. Dann heißt es Schulsachen für den Schulbeginn einkaufen. Und, wen wundert es, ein paar Pflanzen für den Klassenraum. Natürlich!

Man sieht und spürt es in jedem Detail: die Bedachtheit ganz auf Qualität, auf die Natur und in Bezug auf das Arbeiten im Weingut: das Gespür, immer das zu tun, was für den jeweiligen Wein am besten ist.
Klar war auch Fred Loimer ein Rebell. Das reduzierte, einprägsame Logo des Weinguts wird noch heute in manchen Ländern zensiert … Und sein Weingut, so wie es heute ganz klar und pur im Hang steht, eckte auch an. In einem Gebiet mit romantisch anmutenden Kellergassenhäusern, die noch heute nebenan in der letzten Straße oben am Hang von Langenlois stehen.

So eben sind die Trauben für die Sekte gelesen, der Verjus abgefüllt und auch der Donauriesling für den prickelnden Traubensaft wurde bereits geerntet. Ein paar Flaschen davon gibt es noch im drops Wein Shop.
Nach den „klassisch“ ausgebauten Erste Lagen Weinen verkoste ich einen PetNat und einen Orange Wein. Die Serie heißt Achtung. Nicht als Warnung, sondern als Ausdruck der besagten Bedachtheit, dem Respekt zur Natur. Bei Loimer braucht man sich um die diversen Finessen der Benennungen von Natural Wine keinen Kopf machen, denn das Weingut arbeitet seit 2006 biodynamisch. Somit ist jeder Orange auch Organic.
Der PetNat – ein Wein, der in der Flasche zu Schaumwein vergärt – wird aus Muskatellertrauben gemacht. Er perlt angenehm und man hat in der Nase ein duftige Muskateller-Bouquet. Aber nicht aufdringlich. Keine Douglas-Filiale. Ein natürlicher, zarter Hauch. Am Gaumen schön trocken, schmelzig und im Abgang mit aromatischer Herbheit, die sofort Lust auf den nächsten Schluck macht. Die Biologie des PetNat (Pétillant Naturel) ist dabei die eigentlich klassische Methode zur Erzeugung von Schaumwein (als Méthode Ancestrale erstmals 1531 erwähnt).

Die Frage was klassischer Wein eigentlich ist kann spätestens nach dem nächsten Wein in eine Schublade gepackt werden. Denn auch der Orange Veltliner zeigt, dass Neues klassisch sein kann. Im Gegensatz zu vielen Orange Weinen – die nach Rotweinart auf der Maische vergoren werden – erkennt man beim Achtung sogar die Rebsorte. Keine Selbstverständlichkeit, sofern es nicht gerade ein Duftrebsorte ist. Schon die Farbe macht sprachlos. Ein Genuss für das Auge. Es freuen sich außerdem die Nase und der Gaumen. Sauber, würzig und saftig. Hier wird mit Erfahrung vermeindlich Neues umgesetzt. Abgeklärtheit statt trüber Brühe, Genuss statt Gebrüll.

Bei den Weinen geht es Fred Loimer nicht um Prinzipien oder Paradigmen, es geht um das Produkt. Eine leichte Schwefelung für den Qualitätserhalt ist nicht ausgeschlossen. Das Erfolgsrezept: die Natur beobachten und sie unterstützen.

Das Thema Orange Wein sieht er gelassen. Seinen ersten Wein aus dem Holzfass sah sein Vater schließlich auch als fehlerhaft an. Wein braucht eben Zeit. Vom Ausprobieren bis zum Ankommen.
Tradition und Moderne, die hier sichtlich aufeinandertreffen, sind bei den Loimers keine Kontraste, sie werden gelebt, sie bauen aufeinander auf. Tradition ist kein Marketing, es ist die Erfahrung von Generationen, die weise genutzt wird. Das Wissen wird im hier, jetzt und morgen sinnvoll angewendet. Was dann eben auch Orange Weinen zu Gute kommt, die dadurch mit Präzision, Sauberkeit und Feinheit glänzen.

Vom Keller ausgehend wurde nach der Jahrtausendwende ein dreistöckiges modernes Weingut in den Hang oberhalb von Langenlois gebaut. Aus heutiger Sicht nimmt es sich zurück, gibt der Natur Raum und den Blick auf das Kamptal und seine Lagen frei.
Die Trauben können nach der Handlese im Weinberg im oberen Stockwerk noch einmal von Hand selektioniert werden um anschließend, schonend und der Schwerkraft folgend ein Stockwert tiefer in die Edelstahltanks wandern. Auch hier alles im Fluss!

Die Ruhe und Zeit bekommen die Weine schließlich im historischen Gewölbekeller. Die Wände feucht, voll von natürlichen Hefen und gelebter Geschichte. Es hat etwas ehrfurchtsvolles, fast mystisches. Dazu passt das, wie ein Schatten wirkende, tanzende polynesische Fruchtbarkeitsmännchen auf den Holzfässern.

Die Spannung steigt nicht nur hinsichtlich der Frage was für Jahrgänge die Natur in Zukunft bringt. Und was aus ihnen hier unten wird. Spannend ist auch, was hinter einem noch zugemauerten Kellergang im Gewölbe schlummert. Genug Schätze lagern hier zwar schon, für eine Überraschung war Fred Loimer aber auch schon immer gut. Vielleicht schlagen aber auch die beiden Jungs eine Wand ein und ein neues Abenteuer-Kapitel auf.
