Eine Verkostungstour von Würzburg über Frickenhausen und Sulzfeld nach Rödelsee, Wiesenbronn über Castel und Escherndorf.
Wein jenseits des Mainstreams
Wenn man einmal im Jahr zu Gast in der fränkischen Weinmetropole Würzburg ist, und nicht nur auf der Mainbrücke im Strom versinken will, sondern sich dem wahren Trinkfluss widmen möchte, hat man die Qual der Wahl, so üppig ist die Zahl der guten Weingüter in der Region!
Südländisches Flair strahlt Würzburg nicht nur durch das abendliche Flanieren an der Mainbrücke aus.
Auch das Café Astorini trägt aufs Köstlichste dazu bei!
Frühstück mit Hipster-Attitüde findet man hingegen in der Innenstadt bei Fred.
Über den Weinbergen muss die Freiheit wohl grenzenlos sein
An der südlichsten Mainschleife in Frickenhausen liegt das Weingut Meintzinger. Ein altehrwürdiges Haus, einst Fürstbischöfliche Sommerresidenz. Von außen gibt es sich ganz traditionell, doch drinnen ist die Moderne eingezogen. Man möchte Mainen man befinde sich in Mainhatten oder zumindest im 25 hours Hotel in der Hamburger Hafencity. Das Weingut bzw. der Würzburger Architekt Reinhard Mey haben das dazugehörige Hotel in eine Weinlounge mit Wellnesscharakter verwandelt. Dazu eine Brotzeitstube, die auch Tim Mälzer betreiben könnte. Sehr stylisch und echt gemütlich. Im langen „Kühlerbuffet“ erwarten den Gast ein paar wirklich außergewöhnliche Weine. Beispielsweise ein trockener Traminer und ein noch trockenerer Rieslaner. Beide ein Genuss!
Nebenan liegt direkt ein weiteres hochkarätiges Weingut: Bickel Stumpf, die mit cremigen Weißen vom Muschelkalk aufwarten. Doch für diesen Besuch reichte heuer die Zeit nicht mehr.
Der Generationswechsel in Franken ist Gelungen. Nicht nur bei den Winzerpersönlichkeiten, sondern auch bei den Weingütern und der dazugehörigen Infrastruktur. Eine bewusste und behutsame Modernisierung vom Keller bis zum Klodeckel. Daran können sich Hotels an der Mosel noch ein Beispiel nehmen …
Auch Ortschaften wie Sulzfeld, wo das Weingut Zehnthof Luckert ansässig ist, Sommerach – später mehr – oder Iphofen haben ihren mittelalterlichen Charme nicht verloren und strahlen dennoch unverstaubt heller als die Sonnenstrahlen im Main glitzern. Alles im Fluss!
Klare Weine, klare Architektur.
Als Vorreiter in Sachen moderner Architektur und klassischem Weinausbau kann man sicherlich das Weingut am Stein sehen. Doch auch bei den Sauers dominieren klare Linien, die Verbindung von Tradition und Moderne. Naturmaterialien wie Holz und Stein, der vorherrschenden Terroirs gehen eine Symbiose ein. Bei der Familie Horst Sauer herrscht fast eine japanische Askese, die den hellen Verkostungsraum gänzlich auf die Weine konzentriert.
Gegenüber bei Familie Rainer Sauer ist alles eine spur dunkler, wie auch die Etiketten der Weine. Dazu urbaner Style, authentisch, nicht gewollt.
Selbst Winzergenossenschaften, beispielsweise in Sommerach, frönen dem Kubismus.
Silvaner-Station Nummer 1
Escherndorf. Vor sich den Main. Im Rücken den Lump., die ruhmreichste Weinberglage. Hier heißt die Devise: Sauer macht Lustig. Jedenfalls sind die Hausdamen beider Sauer-Familien sehr gastlich und äußerst freundlich. So wie der Rest der Familie, die alle bereits auf dem Hof die kommende frühe Lese im Blick haben.
Als besonders erwähnenswert muss man vom Weingut Horst Sauer natürlich den Silvaner S vom Escherndorfer Lump nennen. Aber auch der Blaue Silvaner, der hier wie ein Blanc de Noir im Glas glänzt macht richtig Spaß. Äußerlich wirkt der Blaue Silvaner, der eine Mutation ist, wie eine Rotweintraube. Auch die Scheurebe lässt einen das Wasser im Mund zusammenlaufen! Erfreulich auch, dass Frau Sauer Weine präsentiert, die nicht auf der Weinliste stehen. Neues Kind ist ein Sauvignon Blanc. Ob nun aber der brutal regionale Silvaner oder der Allerweltssauvignon den persönlichen Geschmack trifft, es ist wie es ist … So heißt übrigens auch eine Spitzencuvée des Hauses.
Silvaner Station Nummer 2
Direkt schräg gegenüber liegt das Weingut Rainer Sauer, hier habt der Sohn mittlerweile die Fässer in der Hand. Und obwohl gerade ein Fotoshooting im Keller läuft und die Zalto Gläser noch poliert werden müssen, haben Daniel und Anne Sauer Zeit für eine entspannte, informative Verkostung und einen warmherzigen Plausch. Wir gehen mit einem wunderbaren Altfränkischen Satz und dem Wissen, dass dieser Jahrhundertsommer bereits im Jahr 1976 einmal überboten wurde.
Silvaner Station Nummer 3
Castell. Am Fuße des Kirchbergs liegt das gleichnamige Weingut. Hier liegt des Silvaners Wurzel. Anno 1659 wurden hier die ersten Silvanerreben in Deutschland gepflanzt, die hundert Jahre später auch den werten Herrn Goethe erfreuten.
Die konservativ wirkenden Weine haben einen Familienzuwachs zu verzeichnen. Die neuen Weingefährten sind allesamt Gefährtinnen und werden von ehrwürdigen Damen des Hauses geschmückt, die eine Verjüngungskur angetreten haben, allerdings mit Naturkosmetik statt Botox.
Gräfin Sophia Juliana stellvertretend für den historische Erstpflanzung des Silvaners, Gräfin Amalia für den Riesling, der an einen Kabinett erinnert und die noch amtierende Fürstin Marie-Louise, die dieser Tage auch ihren Geburtstag feiert, für den Weißburgunder. Auch bei der Gestaltung setzt man auf Weinwissen. Gestaltet wurden die Flaschen im Rheingau. Eine Wiesbadener Agentur verantwortet die Auffrischung, unter anderem mit erfrischender, türkisfarbener Kapsel. In Castell spürt man den Steigerwald und auch die Böden sind vom Gipskeuper statt vom Muschelkalk geprägt.
Silvaner Station Nummer 4
Rothe und andere Weine aus Wiesenbronn.
Hier ist man schon längst Zeitgemäß, was auch Bio bedeutet. Und so waren sie selbstverständlich auch gerade beim Weinfest der fränkischen Ökowinzer auf der Vogelsburg präsent, wie auch das junge Weingut von Franziska Schoemig. Auch bei Roth arbeiten Vater und Tochter Hand in Hand. Da werden während der Verkostung auch die aktuellen Traubenstände gereicht und probiert. Mann lässt die Natur mit Gottvertrauen arbeiten und am Ende entsteht ein Wein, der nicht nur „M’ Pfarrer seiner“ schmeckt. Unter den Rotweinen muss man den Blaufränkisch hervorheben, der immer öfter auch nördlich von Österreich seine Heimat findet, hier in Wiesenbronn aber bereits lange Wurzeln geschlagen hat. Das Weingut Roth hat eine Vielzahl spannender Weine im Repertoire!
Sylvaner Station Nummer 5
Rödelsee. Paul Weltner schwingt sich auf den Traktor als wir auf den Hof fahren.
Hier schreibt man Silvaner wieder traditionell mit y. Und im ebenfalls puristischen Verkostungsraum bringt uns Juliane Busse mit coolem Understatement die sehr spannenden Unterschiede der Weltner Lagen ins Glas. Es geht vom Rödelseer Küchenmeister zur Schwanleite bis nach Iphofen zum Julius-Echter-Berg. 3 Sylvaner mit echter Typik! Und auch bei den Scheureben schmeckt man das unterschiedliche Terroir beeindruckend klar!
Silvaner Station Nummer 6
Max Müller I bzw. die Villa Sommerach. Ach Sommer verweile doch, möchte man rufen, wenn man in dem idyllischen Garten oder Hof sitzt.
Sommerachnachschlag. Und Kuchennachschlag, z.B. vom gedeckten Apfelkuchen. Dazu ein alkoholfreier Traubensecco und später ein Glas aus dem Max Müller Portfolio oder vom neuen Villa Wein. Christian „Müller“, verantwortet das Weingut Max Müller, sein Bruder Toni hat nun für die Villa Sommerach 3 Weine geschaffen, deren Weinberge weitdraußen, hochoben oder ganznah liegen. Aber wenn man diese im Liegestuhl des Villa Gartens im Glas hat, möchte man gar nicht mehr weg.
Silvaner Station Nummer 7
Bereits erwähnt liegt hier hinter alten Stadtmauern das Weingut Meintzinger. Hier kann man glücklicherweise auch sonntags verkosten. Und im Anschluss auch gleich übernachten, denn es ist eigentlich zu schade, die Weine zu spucken.
Perlendes wie den Secco Saignée, der zu der Müller Thurgau Vereinigung Frank & frei gehört, haben wir im privaten genossen. Wie immer in bester Gesellschaft und Dekoration! Einer der heißesten Abende mundete mit einem butterzarten, gegrillten Filet und einem kühl-scharfen Gurkensalat.
Und dank eines fürstlichen Frühstücks war auch der Sonntag ließ sich auch der Spaziergang im Residenzpark mit Elan an!

Unweit der Würzburger Residenz liegt in Stadtzentrum das Tiepolo.
Das Restaurant ist benannt nach dem gleichnamigen Residenz-Deckenfresco-Künstler. Hier wird schon seit Jahren regional und bodenständig gekocht und dazu Frankens Weinszene präsentiert – von sehr sympathischem und fachmännischem Personal. Die Speisekarte steht übrigens auf einem Kellnerblock und wird Poetry-Slam-artig vorgetragen.
Herbi(er)polis
Der alte lateinische Name von Würzburg (Kräuterstadt) deutet bereits klar darauf hin. Und da wir uns auch in Bayern befinden sind soll eine Biererwähnung nicht fehlen. Gegenüber dem Bürgerspital hat im Mai die Bierothek eröffnet.
Hier findet man fränkisches Brauereihandwerk und anderes was überraschend perlt. Viele Craftbiere gehören der Kategorie Interessant. an Wirklich gut schmeckten die lokalen Biere der Bier Buben. Oder auch das Lager von SMaSH. Ein gelungenes Cross-Over ist das Trauben-Ale von Orca Brau und dem Weingut Olinger.
So vereint sich fränkisches Kulturgut aus beiden Lagern. Franken ist eben alles andere als Mainstream!
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