Badischer Landwein ist die neue „Prädikatsauszeichnung“ für Weinkenner, denn hinter dieser vermeintlichen Underdog-Prüfnummerlosigkeit stecken Weine, die dem Weingesetz weit voraus sind. Das Weingut Höfflin leistet aber nicht nur für das Ansehen der Region Pionierarbeit, es sammelt auch offizielle Auszeichnungen für ihre Weine.
Matthias Höfflin schaut, zu Beginn des x-ten Zoom-Weintastings in diesem Jahr, aus dem Breisgau mit entspanntem Lächeln gelassen in die Kamera und grüßt alle Teilnehmer sowie das Organisationsteam in Büsum. Er ist durch und durch Optimist und gewinnt auch diesem Jahr Gutes ab. Wer von uns Teilnehmern hätte sonst so kurz vor Weihnachten schon eine Verkostung mitgemacht, freut er sich. Und nun sitzt man hier gemütlich zusammen – am Rande des Schwarzwalds, an der Nordseeküste und dazwischen.
Damit das Tasting nicht zu trocken wird, schenkt er gleich seinen ersten von vier Tropfen ein. Seine Hofcuvée ist ein prickelndes, sanftperliges und mundfüllendes Vergnügen mit zartem Fruchtkick. Der Einstiegssekt nach Champagner-Art besteht aus Weißburgunder, Grauburgunder, Chardonnay, Müller-Thurgau und Scheurebe. Letztere von Rebstöcken aus den 1970iger-Jahren.

Von Trockenheit ist während des 2-stündigen „Meetings“ außer bei seinen Weinen keine Spur, dafür sorgen auch Dagmar Ehrlich, Diplom-Önologin, Journalistin und Sommelière sowie Patrick Kebekus vom Hotel und Restaurant Zur Alten Post in Büsum, die diesen Abend organisiert haben und zu einem anregenden Miteinander gestalten.
Natürlich trägt auch der Winzer, zusammen mit seiner Frau, dazu bei, denn er hat eine Weinbiografie, die von Neugier und Naturverbundenheit geprägt ist.
Seit 1987 gehört er zu den Pionieren des Bio-Weinbaus in Deutschland und gibt rückblickend ehrlich und vergnügt zu, dass man das Zeug in den 1980iger Jahren eigentlich nicht trinken konnte. Aber er und viele seiner Mitstreiter haben mit jedem Jahrgang dazugelernt. Matthias Höfflin hat noch dazu viel ausprobiert und seinen Weg gefunden. Neugierig ist er weiterhin, wie der Abend zeigt. Aktuell treibt ihn das Thema Schwefelreduzierung und –verzicht um, womit er sich bereits seit 2009 befasst. Wer jetzt denkt, ach, noch einer der mit Orange-Wein anfängt …
Das macht er schon längst, aber so gut und sanft, dass es einem nicht augenscheinlich entgegenmüffelt.

Nach dem Sekt ist ein Weißburgunder aus 2018 der erste Wein des Abends, entstanden mit deutlicher Maischestandzeit. Der ist nach dem Boden benannt, auf dem er wächst: Löss.
Der Kaiserstuhl in Baden erhebt sich aus vulkanischem Untergrund mit einer meterdicken luftig-mineralischen Löss-Schicht. Ein Wurzelparadies für die Rebstöcke.
Die Namensgebung ist gleichzeitig ein klares Zeichen, worauf es dem Weingut ankommt. Bei all ihrem Handeln geht es Matthias Höfflin und seiner Familie um den Rohgeschmack des Weins. Darum, wie eine Rebsorte schmeckt, nicht etwa eine Zuchthefe. Es geht um den Bodengeschmack, den der Rebstock in die Trauben bringt. Um eine ganzheitliche Natürlichkeit. Wenn alle „Natural-Orange-Weine“ so schmecken würden wie seine, die Anhängerschaft wäre um ein Vielfaches größer!
„In einer Weinbeere steckt alles drin, um guten Wein zu bekommen“, ist sein einfaches Mantra. „Wenn du einen Wein trinkst müssen die Glückslampen angehen.“ Das schaffen nicht nur seine Weine, das schafft auch er mit einer begeisternden Art. Für ihn ist es entscheidend auch selbst geerdet zu sein und „sich auf seine Sinne zu konzentrieren.“ Es geht ihm nicht primär um Frucht, er will den Charakter des Weins herauskitzeln.
Dafür überlässt er auch die Weinwerdung der Natur, lässt die natürlichen Hefen die Gärung spontan aktivieren und gewährt der prägnantesten Hefe die weitere Prägung des Weins. Er arbeitet auch bei seinen Weißweinen mit Maischestandzeiten, denn „die Phenole in den Schalen sorgen für Körper und Fülle“, erzählt er weiter.
Dagmar und Patrick ergänzen seine Philosophie aus verschiedenen Perspektiven. Auch die anschließende Lagerung auf der Hefe tragen dazu bei, den Weinen Cremigkeit und Stabilität zu geben, ohne sie üppig zu machen. „Für die Gastro sind solche Weine ein großes Glück, denn sie fallen nicht nach zwei Tagen zusammen, werden nicht flach und schal wie die Zuchthefen-Weine“, ergänzt Patrick. Das die Weine mehr als stabil bleiben, sondern sich sogar geschmacklich öffnen und noch balancierter präsentieren zeigt ein erneutes Probieren nach drei Tagen.

Der dritte Wein ist ein Muskateller, etwas weniger Trocken und natürlich duftiger. Aber auch dieser Trendsorte gibt er eine Vielschichtigkeit mit, die sich mit jedem Glas und Tag sehr schön zeigt. Vino vier ist ein Pinot Noir aus dem Jahr 2014. Für den Spätburgunder wird der Kaiserstuhl langsam gefährlich warm. Darum haben Höfflins als Versuch und Zukunftsvision Nebbiolo gepflanzt, eine Spätburgunder-Bruder im Geiste. Dagmar fragt vorsichtig nach, ob auch der Sangiovese schon im den Bodenlöchern des einstigen Vulkanlands stecke. „Innere Qualität, Ehrlichkeit und Lagerfähigkeit“, will er seinen Weinen mit auf den Weg geben. Gelungen, kann man noch am Abend, nach den unterschiedlichen Jahrgängen und erst recht nach den geleerten Flaschen ein paar Tage später sagen.
Dass den Höfflins die Tiefe und Struktur ihrer Weine am Herzen liegt zeigen sie auch auf ihren Etiketten. Unter dem Mikroskop haben sie ihre Weine fotografiert. Und siehe da, jeder Wein hat einzigartige Kristallstrukturen. Aber wen wundert es, dass das Wunder Natur mit jedem Detail mit Schönheit fasziniert.

Man sollte die Weine auf dem Genussschirm haben. Und die Genussregion Büsum sowie die Alte Post und deren kommende Weintastings ebenfalls. Ende Januar geht es dort weiter. Dagmar und Patrick werden sicher wieder Entdeckungen auf den Schirm bringen.
Und für Matthias Höfflin steht nach dem Projekt Schwefel schon ein weiteres fest: Mal wieder einen Muskateller Süßwein machen, der auch mit wenig Alkohol alle Glückslampen anschießt.