Alwin Jurtschitsch sitzt in der Weingutsküche, wo schon seine Großeltern saßen, nur hatten die noch keinen Laptop vor sich. Er spricht nicht laut, aber euphorisch.
Fast bescheiden und demütig, aber voller Leidenschaft macht er sich für die so wichtigen Themen Boden und Lage stark und bringt diese begeisternd rüber. Auch auf 1.000 km Entfernung.
Es ist die zweite virtuelle Verkostung, die in diesem Jahr die Tour de Vin ersetzt. Der kleine Kreis entsprach ebenfalls dem Motto, denn alle lauschten einem mit Begeisterung von der Vielfalt seiner Arbeit schwärmenden Alwin Jurtschitsch.

Man traf sich aus München, Koblenz, Hamburg, Südtirol, dem Elsass und Prellenkirchen in Langenlois. Jedenfalls fühlte es sich so an. Wissensdurst wurde von Alwin Jurtschitsch mit drei Weinen und jeder Menge Fachwissen gestillt. Ganz und gar nicht trocken, so frisch wie seine Veltliner war’s. Auf die Reise per Post machten sich der Grüne Veltliner Löss vom neuen Jahrgang 2019. Der Orangewine Belle Naturelle, ebenfalls 2019. Und ein Grüner Veltliner vom Käferberg, Erste Lage 2017.

Querschnitt, nicht nur durch den Boden, sondern auch die vielfältige Arbeit eines Winzers
2006 scheint der Mond über Österreich gut gestanden zu haben. In diesem Jahr schlägt die Stunde der neuen Bodenständigkeit. Es ist das Jahr, in dem sich viele Winzer zurück zur Natur besonnen haben. Und eine neue Achtsamkeit entwickelt haben. Alwin Jurtschitsch hat es vom jungen Wilden zum reellen Winzerromantiker geschafft. Und seinen über siebzigjährigen Vater von seinen Naturweinen überzeugt, was nicht leicht war und nur durch konsequente Qualität möglich war. Zusammen mit seiner Frau Stefanie haben sie viel ausprobiert, von der georgischen Amphore bis zum Barrique. Gefunden haben sie einen Eichenwald in der Umgebung. Aus dem werden jetzt Fässer für die Zukunft gemacht. Jedes Jahr wird eines gegen einen Edelstahltank ausgetauscht. Bestes Beispiel sind die Fässer des Großvaters im 700 Jahre alten Keller, die noch immer in Benutzung sind.

Beim Grünen Veltliner wird der Name ernst genommen. Einen Gelben Veltliner, also gelbfruchtigen, Veltliner möchten weder Alwin noch Stefanie. Und so besitz auch die Erste Lage Käferberg die kühle Frische und Finesse des Kamptals. Bei ihrer Weinstilistik verzichten sie auf Hefeaufrührung, um Eigenschaften wie Cremigkeit zu verhindern. Puristisch, ungeschönt, mit Ecken und Kanten soll so Lebendigkeit zum Ausdruck kommen. Die auch im Boden steckt und der Schlüssel des biodynamischen Arbeitens ist.

Sie machen Gebietsweine, mit dem Anspruch, die Unterschiede des Ortes schmeckbar zu machen. Und entscheidend dafür ist der Boden. So heißen die Weine auch Löss und Stein. Lössboden wirkt sich duftiger auf den Wein aus, so viel sei verraten.
Mit Belle Naturelle gelingt ihm ein smoother, nicht zu gerbstoffreichen Naturwein. Unter anderem, in dem er die Maischestandzeit der ganzen Beeren auf 14 Tage begrenzt.

Vom Revoluzzer zur reellen Winzerromantik
Vieles was in der ebenfalls lebendigen Präsentation von Alwin Jurtschitsch nach Winzerromantik aussieht ist seine kreative Spielwiese. Spielweingartenparzellen genauer gesagt.
Bodenlockern mit dem Pferd, Teatime bei jeder Traktorfahrt, Fass- und Gefäßexperimente – alles Maßnahmen für Qualitätsverbesserung und Nachhaltigkeit. Aber auch um Berufungen und Wissen zu erhalten, wie die des Fassbinders zum Beispiel. Dabei ist er kein Traditionalist, dem es um Nostalgie geht. Sein Weg ist der Fortschritt, mit positiven Begleiterscheinungen von Werten und Wertschätzung. Das Weingut hat in den letzten Jahren Downsizing betrieben uns sich auf 60 ha verkleinert. Ein Augenmerk für neue Flächen, speziell alte Weingärten im Kamptal, haben die Jurtschitschs weiterhin.
Der Schritt hin zur Biodynamie war der richtige, auch wenn damit Ertragseinbußen einhergehen. Probieren geht über studieren ist zwar keine Bauernregel, trifft aber dennoch den Prozess zim biodynamischen Weinbaus. Schon in den ersten Jahren konnten sie erleben wie der Boden lebendig wurde und schließlich auch die Beeren veränderte. Und deren Geschmack.
Man lernt mit jedem Jahr neu dazu. Lernt zu beobachten. Bodenbegrünung beispielsweise kann man auch zu romantisch angehen, so dass die Weinreben von einem Blütenmeer ringsum in die Trockenheit getrieben werden – man hüte sich vor der Luzerne …
Nachdem Stefanie und Alwin die ersten Jahre in den Weingärten lernten, gingen sie in den altehrwürdigen Keller, um sich auch da auszuprobieren und Weine entstehen zu lassen, die ihrem Geschmack entsprechen. Bei dem sie sich übrigens blind einig sind. Ihr Lieblingswerkstoff im Keller ist die heimische Eiche geworden. Wobei Holz niemals wahrnehmbar sein soll, es dient dem natürlichen Kreislauf, nicht dem Geschmack.
Alle Lagenweine werden bis auf den Erntetag gleich behandelt. Um die Lagen, die Böden und die Mineralik des Gesteins sprechen zu lassen. Leise, aber lebendig und langanhaltend.
Jeder Wein soll es schaffen ein Uplifting beim Weintrinker zu erreichen. Erfrischung, Wohlgefühl, Trinkfreude, Länge mit Finesse. Sein erstes Ziel hat Alwin Jurtschisch erreicht. Sein Vater hat Gefallen an seinen Weinen gefunden. Das nächste Ziel rückt mit jedem Schluck und Jahrgang näher: Naturwein so zu etablieren, dass er in Zukunft als klassische Stilistik empfunden wird.

Das virtuelle Treffen war für alle ein unterhaltsames Lehrstück, dem gerne weiter folgen dürfen.