Es ist Hollywood-Stoff. Der Wein und die Geschichte von Castello Banfi. Verfilmt wurde sie noch nicht. Das liegt vielleicht daran, dass man in Hollywood lieber den Brunello trinkt und deshalb nicht zum Drehbuch schreiben kommt.
Über eine filmreife Familiengeschichte und ein ambitioniertes Weingut.
Grandezza. Bellezza. Brunello.
Ein Amerikaner in Paris ist ein Filmklassiker. Grace Kelly spielte über den Dächern von Nizza. Es fehlt noch: Eine Amerikanerin in bella Italia. Natürlich in den Weinbergen der Toskana.
Im wahren Leben füllt die Amerikanerin Cristina Mariani-May diese Rolle aus. Dabei könnte sie sicherlich auch ihre jetzige Rolle als Managerin des Weinguts tauschen und in der neuen Staffel von „Sex in the City“ Schauspielerin Sarah Jessica Parker alias Carrie Bradshaw ersetzen. Denn was sie sich vornimmt, gelingt. Sie träumt nicht von einem Leben als Märchenprinzessin, sie lebt ein modernes Märchen. Im Montalcino.
Dabei strahlt sie die Gelassenheit italienischen Dolce Vitas aus. Kein Wunder, denn schon als Kind standen regelmäßig Italienaufenthalte im Familienkalender. Nach dem Studium lebte sie dann ein ganzes Jahr in Florenz und verfiel dem Charme der Toskana endgültig. Wenn Sie mit leuchtenden Augen von dem magischen Ort des Castello Banfi und der Schönheit der unzähligen Hügelketten berichtet, hört man aber auch die zweite Hälfte, die ihr Leben geprägt hat: New York. Ihr Akzent verrät es. Dort lebt Cristina Mariani-May mit ihrem Mann und drei Bambini.

Mamma mia, Montalcino!
Seit 1993 ist sie im Familienunternehmen involviert. Die Wurzeln für die Wein-DNA pflanzte allerdings eine andere Frau aus der Familie: Teodolinda Banfi. Ihre Lebensgeschichte könnte kein Drehbuch kreativer erdenken und sie ist ein ganz eigenes Kapitel in der Familiensaga wert – mit göttlichem Beistand sozusagen.
Sie wuchs in Mailand bei einer Adoptivfamilie auf, zusammen mit Erzbischof Kardinal Achille Ratti. Als dieser 1922 zum Papst – Pius XI – ernannt wurde, leitete sie, die bis dato Haushälterin des Monsignore war, als erste Frau auch den Haushalt des Vatikans. Sie war bekannt für ihre Kochkünste und Weinkenntnisse. Diese vermittelte sie an den Sohn ihrer Schwester: Giovanni Mariani. Dieser legte 1919 – 59 Jahre vor Gründung des Weinguts – mit einem Importunternehmen für Wein den Grundstock der Familie. Er nannte es Banfi Vinters – nach dem Namen der Frau, die in ihm die Weinleidenschaft entfachte.

Sangiovese in the City.
Der Stoff aus dem Toskanaträume sind ist rot. Und heißt Brunello di Montalcino. Montalcino ist eine verhältnismäßig kleine Gemeinde in der Toskana. Im Gegensatz zum Chianti und Chianti Classico gelten für Montalcino strenge und reinsortige Qualitätskriterien. So bekommt der Brunello einen Maßanzug aus Montalcino. Es ist schließlich Italien. Das Land der bella figura und alta moda. Allerdings strahlen die Weine eher zeitlos. Klassische Eleganz. Ohne Moden.
Ein Brunello ist immer 100% Sangiovese-Traube. Das heiße Klima Italiens wird dort durch die Höhenlagen vom Wind gemildert. Die Böden sind karg und steinig, die Wurzeln müssen sich tief hinein graben ins Erdreich, wodurch die Weine der Region an Mineralität gewinnen.

The American Dream.
Die Geschchte geht weiter. Aber nicht der vom Tellerwäscher zum Millionär, nein, die Brüder Harry und John Mariani hatten in den 1970iger Jahren einen Traum (noch vor der Entstehung der Supertuscans rund um Bolgheri). Es war der Traum vom eigenen Weingut, den viele Träumen, aber kaum jemand umsetzt. Vor allem nicht so konsequent und mit einem so hohen Anspruch: Das Beste zu machen, mit dem und den Besten – vom Kellermeister bis zur Rebe.
Der Ort der ersten Auslese: die Region Montalcino in der Toskana. Damals Niemandsland. Auf einem der unzähligen Hügel thront, wie gemalt, seit Jahrhunderten ein Castello mit Namen Poggio alle Mura. Der Name ist gleichzeitig auch eine einzelne Weinbergslage.
Nach dem perfekten Ort ging die Suche weiter, nach Menschen mit fachkundiger Leidenschaft. Er fand den Önologen Ezio Rivella und konnte ihn für seine Pläne gewinnen. So hatte er einen Mann an einer Seite, der das Kulturerbe Italiens und des Weins im Erbgut trug.
Natürlich sollte auch der Ort an dem der Wein lagert und wo Verkostungen stattfinden dem Stil und der Noblesse eines Brunellos ebenbürtig sein. Und so schufen sie dazu ein Refugium, dass von der Condé Nast Verlagsgruppe (Vogue, Vanity Fair, New Yorker, Architectural Digest) auf Platz 7 der schönsten Hotels Italiens gewählt wurde. Castello Banfi il Borgo ist klein und fein – mit 9 Zimmern und fünf Suiten. Es bietet alles was Herz, Seele und Gaumen begehren und beherbergt auch zwei Restaurants und eine Enoteca.

Innovation mit Traditionsbewusstsein.
Banfi streckte im Laufe seiner 41-jährigen Geschichte seine Wurzeln weiter aus. In die Maremma, in die Gegend von Bolgheri, wo die legendären Supertuscans legendär zuhause sind. Und ins Piemont. Hier wird Weißwein produziert. Gavi und auch Sekt. Es braucht schließlich auch etwas Prickelndes, um das Leben zu feiern. Insgesamt füllt man ungefähr 14 Millionen Flaschen Wein.
Neben Sangiovese widmete sich die Familie auch der Qualitätssteigerung des Pinot Grigios. Und auch mit Pinot Noir wurde experimentiert. Die Liebe und Leidenschaft gilt allerdings der Sangiovese-Traube. Einer Rebsorte von der es über 600 Varietäten – sogenannte Klone – gibt. Aus dem Antrieb stets die beste Qualität zu schaffen, ließ Cristina Mariani-Mays Vater 180 Sangiovese-Klone pflanzen und jeden einzelnen studieren. In der ganzen Montalcino-Region wurde Banfi zum Vorantreiber für ein neues Qualitätsbewusstsein. So wurden in über 20 Jahren die 15 besten Klone identifiziert. Seit den frühen 1990er Jahren werden davon wiederum nur mehr drei in Banfi gepflanzt.
Mit der Größe des Weinguts und dem Perfektionismus wuchsen auch die Ansprüche weiter. So wurde nach dem perfekten Fass gesucht. Große Holzfässer gab es zwar, jedoch waren diese im Handling und für die Reinigung nicht geeignet – nicht für ein Weingut in dieser Größenordnung und mit einer solchen Produktionsmenge. Und so brachte man verschiedene Produzenten zusammen und ließ ein Hybridfass entwickeln und patentieren. Der Korpus, der dem Wein Geschmack und Struktur gibt, ist dabei weiterhin aus Holz (zumeist französische Eiche), Boden und „Deckel“ sind aus Edelstahl. So konnte man auch dem gewünschten Hygyienefaktor gerecht werden. Die Fässer lassen sich gänzlich öffnen und bieten nicht nur eine kleine Luke zum Hineinkriechen, wie es bei traditionellen großen Holzfässern der Fall ist.

Im Einklang mit Natur, Mensch und Kultur.
Das beeindruckende am Weingut Banfi, es agiert trotz seiner Größe nachhaltig. Die beeindruckende Fläche von 3.000 Hektar beruht auf dem Prinzip von Artenvielfalt. Es wachsen zwischen den Weinbergen, die „nur“ eine Fläche von 850 ha einnehmen, auch Kirsch- und Pflaumenbäume. Und natürlich Olivenbäume. Daraus produzieren sie ihr eigenes Olivenöl.
Banfi wurde als erstes Weingut weltweit für soziales, ethisches und ökologisches Engagement ausgezeichnet.
Das Verantwortungsbewusstsein für die Natur und das Handwerk haben auch dazu geführt, dass das Weingut auf Transparenz und Ausbildung setzt und Wissen weitergibt bzw. entwickelt.
Das Open Doors Prinzip, dass die Weingüter des Nappa Valley in den 1970iger Jahren ins Leben riefen, wurde auch in der Toskana umgesetzt. Heute besuchen jährlich 60.000 Menschen das Weingut.
Banfi hat sogar eine eigene Foundation gegründet, eine Schule für Sangiovese, für Kultur und Kulinarik. An der Akademie kann man Marketing oder Landwirtschaft studieren. 120 internationale Stipendien werden pro Jahr vergeben.

Die Principessa des Brunello.
Ihr Name klingt wie eine Cuvée aus Cipriani und Medici. Und was die Medici einst in der Renaissance für die Entwicklung des Landes bedeuteten, sind die Mariani-Mays in Bezug auf die Weinentwicklung für das Montalcino. Mit Stolz und Passion präsentierte Cristina Mariani-May in Hamburg eine Banfi Masterclass. Mit dabei eine Premiere: den Jahrgang 2015. Verkauft werden darf dieser Brunello di Montalcino erst Januar. Denn ein weiteres Qualitätskriterium ist der Faktor Zeit. Ein Brunello di Montalcino muss vier Jahre reifen bevor er verkauft wird, davon zwei Jahre im Holzfass. Das gilt auch für den Poggio alle Mure 2015, er erscheint im April.

Master Class Tasting Notes
Den Anfang macht die Brunello Riserva aus der Lage Poggio alle Mure.
Wir gehen mit dem Wein auf Zeitreise, zurück in die Jahrgänge 2013, 2010 und 2007 und kehren mit dem 2015 quasi in die Zukunft. Der 2013er ist fruchtig und frisch. Jahrgang 2010 duftet nach Liebstöckel. Im Jahrgang 2007 ist Beerenfrucht präsent und ein Duft, der an Kuchenbacken erinnert.
Darauf folgt ein Flight der zweiten Einzellage, der „goldene“ Brunello: Poggio all’Oro. Die Rebstöcke sind ungefähr in dem Alter des Weinguts, zum Teil auch älter. Jahrgang 2013, 2010 und 2006. Der 13er Oro ist mächtiger als der Mura. Mit der Reife werden die Tannine langsam mürber, der 2010er ist jetzt in einer ausgeglichenen Phase – down to earth, ready to enjoy. Der 2006er duftet erdig und wird von einer kräftigen Würze getragen.
Der 15er Poggio alle Mura ist natürlich noch in seiner Jungend und strotzt vor Kraft, das Holz gibt sich markant, ebenso die Gerbstoffe, darüber legt sich eine pikante Kräuterwürze. Der „klassische“ Brunello di Montalcino zeigt sich schon feiner und eleganter.
Man denkt bei Italien natürlich an heiße Sommer und bei Weinen damit an schwere fette Weine. Die Toskana entspricht aber nicht diesem Klischee. Die Brunellos haben in manchen Jahren zwar stolze 15% Alkohol, die Weine von Castello Banfi schaffen es aber mit Frische dieser Wucht entgegenzuwirken. Man darf auf die weitere Entwicklung gespannt sein.

40 Jahre Banfi und reichlich Geschichtsstoff.
Der Zukunft sehen sie mit italienischer Gelassenheit entgegen, auch wenn der Klimawandel mit extremen Witterungsschwankungen in jüngeren Weinjahren spürbar ist. Die letzten 5 Jahrgänge waren dennoch groß. Außerdem haben sie mit Weitblick sieben Seen angelegt, die als natürliche, nachhaltige Wasserspeicher zur Bewässerung genutzt werden.
Ins dolce far niente werden sie auf Castello Banfi aber auch in Zukunft nicht verfallen – Nichtstun liegt nicht in ihrer Familientradition. Vielleicht lässt Cristina Mariani-May dann eher die Geschichte von Teodolinda Banfi verfilmen – auch wenn diese nach eigenen Aussagen nicht sonderlich fotogen war. Aber diesen kleinen Makel im Montalcino-Märchen könnte man ja beheben, wenn sie selbst die Rolle ihrer Ahnin übernimmt.
Salute!