Brutal regionale Rückbesinnung

Der Kürbis ist keine Wurzel, aber ebenso bodenständig und Sinnbild für einfache, bäuerliche Küche. Das folgende Rezept ist eine Antiquität aus einem 20 Jahre alten Kochbuch. Und doch trifft es den Geschmacksnerv der Zeit. Denn es ist regional und reduziert, was einen großartigen Geschmack hervorbringt.

Prêt-à-plat-du-jours
Beim Kochen scheint es eine eine Analogie zur Mode zu geben. Alle 20 Jahre kehren „Trends“ zurück auf den Laufsteg bzw. Teller. Was auch für das große Showgehabe zu gelten scheint. 1994 brachte Robert Altman den Run auf die Mode cineastisch zum Ausdruck, heute wird mit großem Potenzial und noch größerer Potenz im TV gegrillt.

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Der bekannteste bayerische – aber auch überregional überaus erfolgreiche – Münchner Küchen-Maître brachte 1997 ein Kochbuch mit dem Titel „Genießen erlaubt – Schuhbecks regionale Küchen“ heraus. Damals selbst noch regional am Werk – in Waging am See. Darin zahlreiche Rezepte aus allen Regionen Deutschlands. Aber nicht nur Regionalität zeichnet die Rezepte aus. Diese sind so schlank wie Herr Schuhbeck selbst zu der Zeit und geben den Produkten mit Reduziertheit und Einfachheit die volle Aufmerksamkeit und Geschmacksentfaltung. Die Gewürzschublade mit Ingwer, Chili, Knoblauch und Vanille wurde erst gut 10 Jahre später geöffnet.


Gut Bürgerlich
Mochte Billy Wilder es noch heiß, serviert Billy Wagner es brutal heißer. Das neue Schlosshotel ist die Einfachheit. Purismus statt Pomp. Wo früher Versichungsunternehmen ein karges Dasein fristeten und Kunden mit Zahnzusatzversicherungen nervten, kann man heute sicher sein Geschmacksnerven stimuliert zu bekommen. In ehemalige Einzelhandelsgeschäfte hält die Gastroszene Einzug. Schaufenster werden verhängt, G-20 Parolen plakatiert. Repräsentative Visitenkarten sind einzig Teller bzw. Gänge, denen die ganze Show gilt – einem von mindestens 10 in reduzierten und produktfokussierten Menüs. Im „ernst“ sogar 29!


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Ein Kürbis ist ein Kürbis ist ein Kürbis
Aber zum wesentlichen, dem Rezept: Es gibt unzählige Kürbisvariationen, vor allem im Suppenbereich. Hier aber steckt wirklich nur der Kürbis drin, nicht einmal eine Zwiebel flankiert den Anschwitzprozess. Ausschlaggebend für die finale Aromatik ist allerdings Essig. Rotweinessig oder auch Weißweinessig. Dieser entlockt dem Kürbis eine feine, beeindruckende Fruchtigkeit. Die Säure verkocht, das Essigaroma bleibt jedoch im Nachhall schmeckbar. Und auch die Reduzierung von Fett – in Form von Sahne – auf ein Minimum ist eine weiteres Merkmal dieser Rezeptur (gut, ein wenig Butter gehört einfach zum guten Ton). Selbst ein gänzlicher Verzicht auf Sahne würde hier keine Geschmacksaskese bedeuten.


Das Rezept (für 4 Personen):
1. 1 Kürbis, 2. 80 g Butter, 3. 4 Esslöffel Essig (Rotweinessig oder Weißweinessig), 4. 1 Esslöffel Zucker, 5. 750 ml Brühe, 6. 3 Esslöffel Sahne, 7. Salz, 8. Pfeffer.
Den Kürbis schälen, entkernen und in Würfel schneiden. Butter zerlassen und das Kürbisfleisch darin andünsten. Mit Essig ablöschen und mit Zucker bestreuen. Anschließend mit Brühe und ggf. Sahne aufgießen. 20 Minuten köcheln lassen und fein pürieren. Mit Salz und Pfeffer abschmecken.

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In diesem Sinne: Herbst, was willst du mehr!


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