Kein Weingut könnte besser zu diesem Jahr passen als Donnafugata. Denn die Bedeutung des Namens – „Die Frau auf der Flucht“ – prägt das Bild in 2022. Frauen auf der Flucht haben die sogenannte Zeitenwende eingeläutet. Nun ist es schwierig eine Brücke zwischen Frieden und Krieg zu schlagen, zwischen Leid und Freude, Genuss und Mangel. Aber Wein verbindet.
Eine Bilderbuchgeschichte
Uns alle eint aber die Hoffnung zum Guten, die Kraft zu Veränderung, die Stärke des Willens. Bewusst zu leben und den Moment zu schätzen. Die Flucht ukrainischer Frauen und die von Gabriella Rallo, der Gründerin von Donnafugata eint ihre Stärke. 1983 gibt sie ihre Arbeit als Lehrerin auf, um sich als eine der ersten Frauen in Italien dem Wein zu widmen. Die aus dem Alltag geflohene Frau nennt ihr Weingut „Die Frau auf der Flucht“. Donnafugata ist benannt nach dem tatsächlichen Ort eines Adelshauses, das heute tatsächlich auch Wirtschaftsgebäude beherbergt und nach der Königin im Roman „Il Gattopardo – der Leopard“, die in dem Gebiet Zuflucht fand, wo sich heute die Weinberge befinden.
Bis ins Jahr 1851 reichen die Weinwurzeln der Familie. Mit Gründung einer Kellerei in Marsala. Heute werden gut 450 ha mit 100 Tagen Erntezeit auf Sizilien bewirtschaftet. 35 in unmittelbarer Nähe zum Ätna und 68 auf der Vulkaninsel Pantelleria, auf der nicht nur der legendäre Ben Ryé Süßwein, sondern auch die Mode-Ikone Giorgio Armani ein Anwesen hat. Auch mit den Silzilianern Domenics Dolce und Stefano Gabbana hat die Familie eine Kooperation und bringt jedes Jahr einen Wein in besonders hübschem Kleid auf den Markt. Wer Wein macht, hat eben auch einen Sinn fürs Schöne. Und für Musik. Denn das Weingut wird mittlerweile in der Nachfolgegeneration von der gesangsstarken José Rallo geführt.
Zum Sinnbild wurde auch das Logo, eine Frau mit wehenden Haaren. Sie ist, wie die Weine, zu einer Ikone geworden. Gezeichnet vom ehemaligen Kinderbuchillustratoren Stefano Vitale. Er zeichnet Jahrgang für Jahrgang neue starke Frauen für die Weine.
Einer dieser Weine heißt Mille e una Notte – 1001 Nacht. Ein Wein, der Geschichten erzählt, von Träumen und Sehnsüchten. Der aber gleichzeitig zum Träumen anregt und süchtig machen kann. Seit 1995 wird er gefüllt. Der aktuelle Jahrgang 2018 sowie die Jahrgänge 2012 und 2006 präsentierte José und ihr Team im Oktober in Hamburg.





Eine genussvolle Reise
Sizilien selbst ist ein Ort stetigen kulturellen Wandels. Und nicht zuletzt ist die Nachbarinsel Lampedusa für Italiener ein Schlüsselwort für Flucht. Sieht man das Positive an der diversen Geschichte der Insel geht damit auch kulinarische Vielfalt ein. Diese bringen zur Weinpräsentation Kulinariker und Kochbuchautor Stevan Paul und Michele Wolken, der auch für essen & trinken Gerichte entwickelt, auf den Teller. Sie haben ein 6 Gänge Menü konzipiert. Kennt man zwei Weine zu einem Gericht, haben sie den Spieß umgedreht und zwei Gerichte zu einem Jahrgang entwickelt. Einen sizilianischen Teller und einen deutschen Teller. Fusion Food. Multikultivielfalt, die zeigt, dass es nichts Schöneres gibt, als ein Miteinander!
Welcome Drink des wundervollen Abends in Ottensens The Box war der Millesimato 2017. Ein zauberhaft duftender Spumante aus Pinot Noir mit 36 Monaten Hefelager. Ja, auch diese Rebsorte hat auf Sizilien eine Heimat gefunden!
Glanzvolles Highlight waren aber die drei Jahrgänge des Mille e una Notte, den die Familie mit Giacomo Tachis, dem Vater der Supertuscans, ins Leben gerufen haben. Dieser suchte nach Sassicaia, Solaia und Tignanello eine neue Herausforderung im Nero d’Avola, der roten Heldin Siziliens. Das Etikett zeigt übrigens den Palast unter Sternenhimmel, der Rückzugsort der geflüchteten Königin und Lieblingshaus des Schrifstellers ist. Der Wein ist eine Jahrgangsselektion mit 14-tägiger Mazeration auf den Schalen und Ausbau in neuen Barriques.
Das Jahr 2018 war, im Gegensatz zu Deutschland, niederschlagsreich und verhältnismäßig Kühl, was man dem Wein auch anmerkt. Erstaunlich frisch und elegant präsentiert er sich, wo man vielleicht Hitze erwartet hätte. Dazu serviert Michele Wolken eine Caponata „San Bernardo“ und eine Kalbslebermousse in Brandteig, dazu Rote Beete. Ein spannender Kontrast mit dem der Wein mehr als diplomatisch umgeht. Er schafft es der erdigen Beete eine Frische und Fruchtigkeit zu verleihen!



2012 war in Sizilien ein sehr sonnenverwöhntes Jahr, der Wein strahlt diese Kraft auch aus und präsentiert sich hocharomatisch. Dazu gesellt sich ein Couscous mit Gemüse und ein Perlhuhn mit wildem Brokkoli zu einer Jus aus Ben Ryé, dem Süßwein des Hauses. Wieder maximaler Kontrast mit dem der Wein wunderbar umzugehen weiß. Bei dem opulenteren Jahrgang hätte man damit gerechnet, dass er eine erdrückende Dominanz zur Zartheit und Frische des Couscous an den Tag legt – aber hier nimmt er sich weit weniger wichtig und lässt dem Gericht seine Stimme.




Der Jahrgang 2006 ist ein anmutiger Wein, der sogar das süße Spiel versteht. Mit einer „Deconstruction“ eines sizilianischen Dessertklassikers: Ricottacreme, Kichererbsen und Weizen mit Modica Schokolade und einem deutschen Grießknödel von und zu Nussbutter und Marzipan-Sauce. Dolce vita, dass Weihnachtsträume weckt!


Der Abend ist lang und die Nacht wird arabisch. Zum Abschluss wird der „Sohn des Windes“ eingeschenkt. Ben Ryé hat seine Heimat auf Pantelleria, wo der Wind konstant durch die Weinberge weht. Das Besondere an diesem Wein: die Beeren der Zibibbo Trauben (ein Moscato) werden nach der Selektion von Sonne und Wind über Wochen getrocknet. Diese werden zu frischem Traubenmost hinzugefügt und gemeinsam vergoren. Das Ergebnis ist ein sehr fruchtiger, bernsteinfarbener Passito mit schöner Frische und einer Nase, die an frischen Traubensaft erinnert. Faszinierend, wenn man bedenkt, dass die Insel nur 60 km von der afrikanischen Küste entfernt liegt.
Dazu schnitt Stevan Paul einen 9 Monate gereiften sizilianischen Pecorino auf sowie einen 2 Jahre gereiften Deichkäse und einen Blaumschimmelkäse von der Käserei des Backensholzer Hofs.





Es war eine Nacht nahezu mit 1001 Genuss, der voller positiver Energie steckte und zeigte, dass es sich immer lohnt an das Gute zu glauben und dafür zu … fliehen.